Obwohl der Begriff der „Sprachvarietät“ seit langem zum Grundwortschatz der Soziolinguistik zählt, ist seine Definition umstritten. Er ist ein komplexer, in sich verschlungener Begriff, denn er korreliert eine sprachliche Form, die als solche linguistisch zu beschreiben ist, mit einem außersprachlichen Grund für diese Form, den es – je nach Grund – mit Instrumenten anderer Disziplinen zu erfassen gilt. Zwar kann man eine Varietät innerhalb eines Sprachsystems formal als ein „Gefüge“ oder „Bündel“ zusammengehöriger Varianten betrachten. Doch wann Varianten den Status einer „Varietät“ erreichen, ist ebenso schwer zu bestimmen, wie Anzahl und Art der Gründe, die sie bedingen können. Im vorliegenden Beitrag wird danach gefragt, wie die außersprachlichen Variablen, die den sprachlichen Varietäten zugrunde liegen, kategorisiert werden können. Dies geschieht zum einen in einer historischen Perspektive. Denn schon William Dwight Whitney und Georg von der Gabelentz erkannten das Phänomen der „Überlappungen“ und „Überragungen“ von Varietäten, die ihre kategoriale Trennung schwierig macht. Zum anderen werden die Varietäten im Licht der gegenwärtigen Medienvielfalt betrachtet, von der die Pioniere der Varietätenlinguistik im 19. Jahrhundert nicht einmal träumen konnten. Dabei gerät vor allem der „Mediolekt“ in den Blick, der traditionell mit der Unterscheidung von geschriebener und gesprochener Sprache erfasst wird. Der Beitrag versucht zu zeigen, dass diese Dichotomie der gegenwärtigen Medienvielfalt nicht mehr angemessen ist, und schlägt seinerseits eine einfache, offene Reihung der Mediolekte vor, die nicht nur die Varietäten der „neuen“ Medien wie Chat, E-Mail oder SMS einschließt, sondern auch die der „Nebenbei-Medien“, in denen Ulrich Schmitz Plakate, Aufkleber oder Plastiktüten zusammenführt.

Über die Kategorisierung der Sprachvarietäten und die des Mediolekts im Besonderen / Kretschmer, Ernst. - In: REAL. - ISSN 1647-8061. - ELETTRONICO. - 4:(2013), pp. 152-175.

Über die Kategorisierung der Sprachvarietäten und die des Mediolekts im Besonderen

KRETSCHMER, Ernst
2013

Abstract

Obwohl der Begriff der „Sprachvarietät“ seit langem zum Grundwortschatz der Soziolinguistik zählt, ist seine Definition umstritten. Er ist ein komplexer, in sich verschlungener Begriff, denn er korreliert eine sprachliche Form, die als solche linguistisch zu beschreiben ist, mit einem außersprachlichen Grund für diese Form, den es – je nach Grund – mit Instrumenten anderer Disziplinen zu erfassen gilt. Zwar kann man eine Varietät innerhalb eines Sprachsystems formal als ein „Gefüge“ oder „Bündel“ zusammengehöriger Varianten betrachten. Doch wann Varianten den Status einer „Varietät“ erreichen, ist ebenso schwer zu bestimmen, wie Anzahl und Art der Gründe, die sie bedingen können. Im vorliegenden Beitrag wird danach gefragt, wie die außersprachlichen Variablen, die den sprachlichen Varietäten zugrunde liegen, kategorisiert werden können. Dies geschieht zum einen in einer historischen Perspektive. Denn schon William Dwight Whitney und Georg von der Gabelentz erkannten das Phänomen der „Überlappungen“ und „Überragungen“ von Varietäten, die ihre kategoriale Trennung schwierig macht. Zum anderen werden die Varietäten im Licht der gegenwärtigen Medienvielfalt betrachtet, von der die Pioniere der Varietätenlinguistik im 19. Jahrhundert nicht einmal träumen konnten. Dabei gerät vor allem der „Mediolekt“ in den Blick, der traditionell mit der Unterscheidung von geschriebener und gesprochener Sprache erfasst wird. Der Beitrag versucht zu zeigen, dass diese Dichotomie der gegenwärtigen Medienvielfalt nicht mehr angemessen ist, und schlägt seinerseits eine einfache, offene Reihung der Mediolekte vor, die nicht nur die Varietäten der „neuen“ Medien wie Chat, E-Mail oder SMS einschließt, sondern auch die der „Nebenbei-Medien“, in denen Ulrich Schmitz Plakate, Aufkleber oder Plastiktüten zusammenführt.
2013
4
152
175
Über die Kategorisierung der Sprachvarietäten und die des Mediolekts im Besonderen / Kretschmer, Ernst. - In: REAL. - ISSN 1647-8061. - ELETTRONICO. - 4:(2013), pp. 152-175.
Kretschmer, Ernst
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